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Die Hinführung der Ungläubigen zur Einheit des wahren Glaubens
war das große Ideal, für das Lullus all seine Kräfte einsetzen
wollte. Auch seine Theologie muß deshalb in erster Linie als
Missionstheologie verstanden werden. Vor allem liegen ihm Praxis und
Theorie der Missionsarbeit am Herzen, und die theologische
Spekulation interessiert ihn besonders unter dieser Rücksicht. Die
Interessen der Mission hatten zwar im 13. Jahrhundert schon
vielfach Anlaß zu theologischen Fragestellungen gegeben, jedoch die
geistige Auseinandersetzung mit Islam und Judentum setzte oft erst
lange nach der praktischen ein, ja die Missionsarbeit bildete
schließlich auch nur eine unter vielen anderen wichtigen Bestrebungen
der großen Orden der Dominikaner und Franziskaner. Bei Lullus ist
aber nun seine gesamte Aktivität dem Ziel untergeordnet, die
Ungläubigen und Unwissenden zum wahren Glauben an Christus zu
führen und sich deshalb mit ihnen geistig auseinander zu setzen. Er
selbst nennt sich Procuratur infidelium.[46]. Noch in jüngster
Zeit ist sein Eifer in der Enzyklika Rerum orientalium von Pius
XI. Ehrenvoll erwähnt worden. [47]. Lullus hat sich bemüht,
echte Überzeugungen zu vermitteln und sieht deutlich die Gefahren die
auch in späteren Jahrhunderten nicht immer vermieden wurden, daß man
nämlich bei Anwendung von Druckmitteln die Menschen nur äußerlich
bewegt und Heuchler gewinnt. Sein Kommunikationswille ist so stark,
daß er auch vor dem Studium von Sprache und Lehre der Araber nicht
zurückschreckte.
Aber ein lebendiger Kommunikationswille beeinträchtigt oft die
Festigkeit der eigenen Position. Derartiges kann bei Lull nicht
festgestellt werden. Er ist davon überzeugt, daß auch bei einer
Auseinandersetzung mit den Waffen in denen der Gegner besonders
versiert ist, die übernatürliche christliche Wahrheit zum Siege
kommen muß. Die theologischen Wahrheiten suchte er mit der
Unbergsamkeit seiner Logik miteinander in Beziehung zu setzen. So
will er im Vertrauen dem Selbstbewußtsein des Gläubigen die
Überlegenheit des Christentums gerade in den Dingen aufzeigen, die
vom Gesprächspartner trennen. Skeptische Unsicherheit und müde
Resignation in Missionsfragen, die auch zu seiner Zeit weit
verbreitet waren, kannte Lullus nicht. So bildet er in vieler
Hinsicht das Vorbild für ein echtes Laienapostolat.
Bei seinen Auseinandersetzungen geht Lullus nicht so vor, daß er
von der Wahrheit des Glaubens zunächst einmal völlig abstrahiert,
um ihn dann zu beweisen. Er führte Disputation nicht wie jemand,
der am Glauben zweifelt, der erkannte Dinge aus Rücksicht auf den
Gesprächspartner auch innerlich noch einmal für sich in Frage
stellt. Er verfällt nicht der Gefahr so vieler
Religionsgespräche, die von vornherein der Wahrheit gegenüber
Kompromisse zu machen bereit sind oder wenigstens den anderen im
Glauben lassen, man sei zu Zugeständnissen bereit. Fremd ist ihm
auch die Flucht in eine scheinbare, die Parteien überragende
Neutralität, die um der einer angeblichen Wissenschaft willen nicht
bereit ist, persönlich Stellung zu bezeiehen und sich zu engagieren.
Seine theologischen Darlegungen entsprachen daher durchaus dem
Grundsatz des heiligen Anselm: "Nullus quippe christianus debet
disputare, quomodo quod catholica ecclesia corde credit et ore
confitetur, non sit; sed semper eandem fidem indubitanter tenendo,
amando et secundum illum vivendo, humiliter quantum potest, quaerere
rationem, quomodo sit".[48].
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