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Wie die Theologiegeschichte zeigt, führt der Rationalismus meist
zum Irrweg des Modalismus, der Anthropozentrismus zum Tritheismus.
Bis in die Gegenwart hinein wird deutlich, daß auch berühmte
Autoren diesen Gefahren nicht entgangen sind.
In den theologischen Werken Lulls, nicht zuletzt in seinen
Spätschriften, steht fast immer na erster Stelle die Erklärung der
Heiligsten Dreifaltigkeit. Sogar in Werken deren Titel dies
zunächst nicht vermuten läßt, nimmt sie einen großen Raum ein.
[26]. In diesem Zentraldogma des Christentums kommt besoders der
Unterschied zu anderen Religionen zum Ausdruck. In der Polemik mit
Juden und Mohammedanern spielte es eine wichtige Rolle. Bereits im
Koran zeigt sich der scharfe Gegensatz. [27]. Deshalb mußte ihm
Lullus als Missionstheologe seine besondere Beachtung schenken.
[28]. Aber ihn bewegt nicht nur apologetisch-ökumenisches
Interesse, sondern seine ganze Theologie ist durch die primäre
Behandlung der Trinität charakterisiert. Die einheitliche
Weltordnung sieht er als Abbild der innergöttlichen
Ordnungsverhältnisse. Sein gesamtes Weltbild ist schließlich nicht
nur inhaltlich trinitarisch orientiert, sondern bis zur Formung eines
eigenen sprachlichen Ausdrucks leitet ihn der Gedanke der
Dreieinigkeit als Prinzip. In der anonymen Vita coetanea vom Jahre
1311 erhielt er den Titel: Summae veritatis er profundissimae
trinitatis verus expressor.
Besonders kennzeichnend ist für ihn dabei die von Augustinus
übernommene Lehre von den Korrelativen, die er unter
Berücksichtigung ähnlicher Ausdrucksweisen des Islam systematisch
fortbildet hat. Er brachte sie in Verbindung mit der Lehre von den
göttlichen Grundwürden und bemühte sich so, die Einheit des
Wesens und die Verschiedenheit der Personen in Gott gegen alle
Angriffe zu verteidigen und tiefer zu erklären.
Weil er also zur Bezeichnung der Trinität fast ausschließlich die
sogenannten Correlativa verwendet, interessiert ihn die Fülle der
anderen seit Augustinus bekannten natürlichen Analogien weniger.
Charakteristisch für seine Trinitätslehre ist nämlich die
Verbindung einer Aktiv-Passiv- und Infinitivform der
verschiedensten Verben zu den drei Correlativa mit den
Endungen-ans-atus-are, oder-tivum, -bile,-are. Nach Lulls
Lehre finden sich diese Correlativa bei allen geschaffenen
Vollkommenheiten und in höchster Weise in Gott. Auch Augustinus
hat derartige sprachliche Formen bereits gelegentlich auf die
Trinität angewandt; Lullus hat jedoch den Gedanken selbständig
aufgegriffen und systematisch durchgeführt. Diese Korrelativa,
Infinitiv und Partizipien des Aktivs und Passivs von Verben, die
eine Vollkommenheit ausdrücken, hat Lull zu einem bezeichnenden
Grundelement seiner Logik gemacht; denn sie entsprechen den
Elementen, die zu jeder Relation gehören (2 Termini und ihre
Verbindung), und sie etsprechen dem Aufbau des Satzes aus
Subjekt, Prädikat, Objekt oder Subjekt, Prädikat und Kopula,
und deuten die Trinität der göttlichen Personen und die Gleichheit
der Natur an, da sie drei aufeinander bezogene Formen desselben
Verbs sind. Sie bezeichnen Relationen, die allen kreatürlichen
Vollkommenheiten wenigstens analog zukommen. Aber wo höchste
Aktivität und Mitteilungsmöglichkeit bestehe, nämlich bei Gott,
sei das gesamte Sein in diese Gegenseitigkeit aufgenommen; alle
Korrelative haben gemeisam die höchste Vollkommenheit. Wenn diese
Korrelative also im vollkommensten Sinn verstanden werden, ist nach
Lull auch implizit bereits die Trinität angenommen.
Mit Vorliebe hebt er dort, wo er die Mehrheit der göttlichen
Personen nennt, auch die Einheit ihrer Natur hervor. Diese
Gedankenverbindung tritt bei ihm geradezu als schematische Formel
auf. [29]. Oft sieht er sich veranlaßt sowohl einem
tritheistischen wie auch einem unitaristichen Mißverständnis durch
gemeinsame Behandlung der beiden Wahrheiten vorzubeugen. [30].
Der Grund dafür dürfte die Tatsache gewesen sein, daß die
Mohammedaner beide Wahrheiten für unvereinbar hielten. [31]. In
der Kontroverse wurden die Christen allgemein als Plytheisten
bekämpft (z. B. Muhammed b."Abd ur-Rahman el-Katib, "Die
kostbare Perle über die Tugenden der Muslimin und die Fehler der
Vielgötterer (Christen)" gewidmet dem Sultan Sala ud-Din.
[32]. Befremdlich ist es, daß der Inquisitor Nikolaus Eymericus
zumindest nach der Interpretation von A. R. Pascula OCist ihm
einerseits eine Leugnung der Personverschiedenheit in Gott vorwerfen
konnte und andererseits bei Lullus eine Übertreibung dieser
Verschiedenheit bis hin zum Tritheismus feststellen wollte. Wie auch
immer man die oft unklaren Verurteilungssätze auslegen will; steht
jedenfalls eindeutig fest, daß Lull auch die Verschiedenheit der
göttlichen Personen mit Bestimmtheit gelehrt hat. [33]. An sich
hebt er den Unterschied der Person eher noch mehr hervor als die
Einheit des Wesens und Wirkens Gottes, da ja letztere Wahrheit von
den Mohammedanern auch anerkannt war. Der Vorwurf, er habe mehrere
Wesenheiten in Gott gelehrt ist absurd und schon seit langem klar
wiederlegt worden.
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